| Presseinformation Nr. 070 / 2021

Mögliche neue Prüfungsformate für die zukünftige Generation von Medizinstudierenden erfolgreich getestet

Die geplante Änderung der Approbationsordnung für die Ausbildung von Ärzt*innen setzt auf neue Prüfungsformate: Die Universitätsmedizin Göttingen und ihr STÄPS ist beteiligt an der Vorab-Testung und hat alle neu entwickelten Prüfungsformate erfolgreich getestet.

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Testlauf der Parcoursprüfung M3 komplett virtuell: Auf dem Höhe-punkt der dritten Coronawelle im Frühjahr konnte die Pilotierung der Parcoursprüfungen im STÄPS der UMG mit strukturierten Checklisten und Kommunikations-Szenarien nur komplett digital durchgeführt werden. Foto: Demmer

(umg) Mit der geplanten Änderung der Approbationsordnung für die Ausbildung von Ärzt*innen soll die Lehre neu ausgerichtet werden. Ziel der Ausbildung ist eine Arztpersönlichkeit, die gleichermaßen medizinisch und wissenschaftlich kompetent ist, Wissen in die Praxis umsetzen sowie patientengerecht kommunizieren kann. Im Konzept der geplanten neuen Approbationsordnung sind dafür neue Prüfungsformate für die staatlichen Examina vorgesehen. Das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) hat sie im staatlichen Auftrag entwickelt.

Als eine von fünf ausgewählten Medizinischen Fakultäten bundesweit ist die Medizinische Fakultät an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) von Anfang an beteiligt an der Entwicklung und Pilotierung der neuen Prüfungen. Die Erfahrungen im STÄPS (Studentisches Trainingszentrum Ärztlicher Praxis und Simulation) und die gute Vernetzung mit ambulanten Lehrpraxen waren dafür ideale Bedingungen.

Aktuell wird im Abschlussexamen zu 80 Prozent Wissen abgeprüft. Bei den zukünftigen Staatsexamina liegt der Fokus auf der gemeinsamen klinischen Entscheidung mit der Patientin oder dem Patienten. Die Zusammenarbeit im Team erhält einen hohen Stellenwert. „Wir wollen künftig prüfen, was die Absolvent*innen im Berufsalltag vom ersten Tag an wirklich erwartet“, sagt Dr. Iris Demmer, ärztliche Leiterin des STÄPS. „Wenn die Absolvent*innen am Ende des Studiums zukünftig in konkreten ärztlichen Aufgaben geprüft werden, erhöht das die Sicherheit für die Patienten und die Berufsanfänger“, so Dr. Iris Demmer.

Die letzten Testläufe zur Pilotierung der neuen Prüfungsformate musste das Team des STÄPS unter Corona-Bedingungen realisieren. Dafür brauchte es mehr digitale Unterstützung als sonst üblich. Im Frühjahr wurde die Pilotierung der Parcoursprüfungen mit strukturierten Musterlösungen und Prüfungsszenarien komplett digital durchgeführt. „Hilfreich war, dass wir schon viel Erfahrung in praktischen Prüfungen mit Patient*innen in der Hausarztpraxis hatten. Auch wenn jetzt der direkte Kontakt in der Parcoursprüfung fehlte, konnten wir doch erstaunlich viel auch digital testen, ähnlich wie bei telemedizinischen Beratungen“ sagt Iris Demmer. „Wir sind startklar, wenn die neue Approbationsordnung kommt. Wir wissen, dass alle vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen neu entwickelten Prüfungen in Göttingen funktionieren.“

In zehn Prüfungsstationen, die als Parcours nacheinander absolviert werden, sprechen die Studierenden mit Schauspielpersonen, die vorher in ihrer Rolle geschult wurden. So finden sich die Studierenden in hausärztliche Situationen hinein versetzt. Sie beraten Patient*innen in der richtigen Medikationseinnahme, klären Fragen zur COVID-Impfung, hören zu, erklären Befunde verständlich und kümmern sich um professionellen Umgang mit Fehlern.

„Am Ende des Studiums haben die Studierenden viel gelernt. Jetzt geht es darum, das Wissen und Können gut in den Umgang mit den Patient*innen zu integrieren, sich auf ihre Bedürfnisse einzustellen und mit ihnen eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen“, sagt Dr. Demmer. Die dafür neu konzipierte Art von Prüfung bezieht die Patientin oder den Patienten direkt mit in die Prüfung ein, statt dass „neben“ oder „über“ sie oder ihn gesprochen wird. „Der Prüfling spricht mit dem Patienten, untersucht und berät ihn und kann im Gespräch immer wieder klären, ob der Patient alles versteht und sich gut aufgehoben fühlt“, so Demmer.

„In diesem Teil des Prüfungsformats und immer, wenn es auch darum geht, kommunikative Kompetenzen zu prüfen, kommen unsere Simulationspersonen ins Spiel“, sagt Dipl. Päd. Susanne Borgmann, Koordinatorin des Simulationspatienten-Programms der Medizinischen Fakultät Göttingen. Für ihre wechselnden Rollen – als Patient*in, Pflegekraft oder als Ärztin oder Arzt – werden die rund hundert Simulationspersonen durch die Mitarbeiterin des STÄPS vorab gezielt geschult.

Die neu entwickelten Prüfungsformate sind strukturiert oder standardisiert konzipiert. Dies soll für Fairness gegenüber den Studierenden sorgen und den Prüfer*innen die Prüfung erleichtern, weil sie sich auf die getesteten Aufgaben verlassen können. Jede*r Studierende*r wird anhand einer Musterlösung objektiv beurteilt. Die Prüfer*in jeder Parcoursstation hält die Bewertung der klinischen Kompetenz anhand von standardisierten Bewertungsbögen fest.

Thabea Beyer, Ärztin in Weiterbildung in der Klinik für Augenheilkunde der UMG und engagiert in der Lehre, hat während der Pilotierung erste Erfahrungen mit dem neu entwickelten Prüfungsformat gemacht: „Als Prüferin musste ich mich auf die Gesprächssituation konzentrieren, mit der die Studentin oder der Student bewertet wird. Das ist herausfordernd, macht aber auch Spaß. Die Checklisten helfen, die Prüfungsleistung fair zu bewerten und die vorausgegangene Schulung war wichtig“.

Vorgesehen sind solche strukturierten Parcoursprüfungen nach den Vorschlägen des IMPP künftig nach dem zweiten klinischen Semester und am Ende des Studiums. Die Integration von klinischen Bezügen in naturwissenschaftliche Grundlagen, Anamnese und körperliche Untersuchung und Patientensicherheit stehen dabei im Fokus. Das bisherige mündliche Abschlussexamen nach dem Praktischen Jahr würde ersetzt durch eine zweite Parcoursprüfung sowie eine mündlich-praktische Prüfung auf einer Station und in einer Hausarztpraxis. Neue Prüfungsformate sollen ab 2025 bundeseinheitlich für alle Medizinischen Fakultäten in Deutschland gelten, wenn die geänderte Approbationsordnung in Kraft ist.

„Parcoursprüfungen sind für unsere Medizinstudierenden an der UMG nichts Neues. Wir setzen die strukturierten Prüfungen bereits seit Jahren fakultätsintern ein, um zu prüfen, ob die Göttinger Studierenden reif fürs Praktische Jahr sind“, sagt Prof. Dr. Lorenz Trümper, scheidender Studiendekan und Vorstand Krankenversorgung der UMG. „Auch für den neuen praktischen Teil des neu-konzipierten Abschlussexamens in der allgemeinmedizinischen Praxis sind wir gut vorbereitet. Wir haben schon einen recht großen Pool an Hausärzt*innen, die Studierende im Blockpraktikum und im Praktischen Jahr ausbilden“, so Trümper. Im Jahr 2020 war Göttingen bereits Pilotstandort für die Erprobung der neuen mündlich-praktische Abschlussprüfung mit echten Patient*innen in der Hausarztpraxis.

„Die neu entwickelten Parcoursprüfungen haben für uns den Praxistest bestanden, wir sind zufrieden mit der Pilotierung. Die Parcoursprüfungen sind ein wichtiger Baustein zur Neuausrichtung des Medizinstudiums. Wir freuen uns, dass Göttingen der erste Standort ist, an dem die neuen Prüfungen vollständig durchgeführt werden konnten“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Brück, Dekan der Medizinischen Fakultät und Vorstand Forschung und Lehre.

WEITERE INFORMATIONEN:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Studentisches Trainingszentrum Ärztlicher Praxis und Simulation (STÄPS)
Ärztliche Leitung: Dr. Iris Demmer
Telefon 0551 / 39-60798
iris.demmer@med.uni-goettingen.de

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