Fortschritt für Hochrisiko-Patient*innen: UMG führt schonenden Herzklappen-Ersatz ein

Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) etabliert einen neuartigen Mitralklappen-Ersatz bei Patient*innen mit hohem Operationsrisiko. Das schonende Verfahren erfolgt ausschließlich über die Leiste und eröffnet neue Therapieoptionen für bisher schwer behandelbare Herzklappenerkrankungen. In der Region Südniedersachsen bietet ausschließlich die UMG dieses Verfahren an.

Mitralklappen-Ersatz unter Röntgendurchleuchtung bei einem voroperierten Patienten mit mechanischem Aortenklappenersatz: (1) Ausgangssituation vor dem Eingriff: links sind die Katheter sichtbar, das runde Implantat stellt den bereits vorhandenen Aortenklappenersatz dar. (2) Unter Röntgen- und Ultraschallkontrolle wird zunächst ein Haltegerüst („Dock“) exakt im Herzen positioniert und verankert. (3) Anschließend wird die biologische Herzklappe in das Dock eingebracht und dort entfaltet; sie übernimmt die Funktion der defekten Mitralklappe. Bild: umg/karl toischer
Prof. Dr. Karl Toischer, Stellvertreter der Direktorin der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und Bereichsleiter für strukturelle Herzerkrankungen in der Klinik. Foto: umg/florian rusteberg

Die Mitralklappe ist eine der vier Herzklappen des menschlichen Herzens. Sie liegt zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer und sorgt dafür, dass das Blut aus der Lunge in die Herzkammer gelangt und beim Herzschlag nicht zurückfließt. Ist die Mitralklappe erkrankt, kann sie diese Ventilfunktion nicht mehr zuverlässig erfüllen.

Die Mitralklappen-Insuffizienz gehört zu den häufigsten Herzklappenerkrankungen, insbesondere im höheren Lebensalter. Dabei schließen die Klappensegel nicht mehr richtig, sodass ein Teil des Blutes beim Zusammenziehen der Herzkammer zurück in den Vorhof und in die Lunge fließt. Die Folgen sind ein verminderter Blutfluss in den Körper, eine stärkere Belastung des Herzens sowie Blutstau in der Lunge. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, kann sie das Herz und andere Organe dauerhaft schädigen. Ursächlich können der altersbedingte Verschleiß der Klappe oder die Veränderungen des Herzmuskels sein, etwa nach einem Herzinfarkt oder bei einer Herzschwäche. Auch Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern können die Funktion der Mitralklappe beeinträchtigen. Seltener ist die Mitralklappen-Stenose, bei der sich die Klappe nicht mehr ausreichend öffnen kann. Der Blutfluss vom Vorhof in die Herzkammer ist dann verengt und behindert. Laut der Deutschen Herzstiftung zählen die Mitralklappen-Erkrankungen insgesamt zu den häufigsten Herzklappenerkrankungen im Erwachsenenalter.

Bisherige Behandlungsmöglichkeiten reichten von herzchirurgischen Operationen bis zu kathetergestützten Reparaturmethoden, wie dem sogenannten Clip-Verfahren. Für Patient*innen mit hohem Operationsrisiko oder komplexen Klappenschäden waren die Behandlungsmöglichkeiten jedoch bislang eingeschränkt.

Einmalig in Südniedersachsen
Hier setzt die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) nun an: Unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Toischer, Stellvertreter der Direktorin der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und Bereichsleiter für strukturelle Herzerkrankungen in der Klinik, wurde erstmals in Göttingen erfolgreich ein kathetergestützter Mitralklappen-Ersatz durchgeführt. Mit einem neuartigen Mitralklappen-Ersatzsystem steht nun eine minimal-invasive Therapie zur Verfügung, bei der die Mitralklappe über die Leiste ersetzt wird – ohne Öffnung des Brustkorbs und ohne Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine. Mit diesem Verfahren gehört die UMG zu nur neun Zentren in Deutschland, die einen vollständig kathetergestützten Mitralklappen-Ersatz durchführen können. In Südniedersachsen ist Göttingen das einzige Zentrum mit dieser Expertise. „Der katheterbasierte Mitralklappen-Ersatz zählt zu den komplexesten Eingriffen in der strukturellen Herzmedizin. Für viele unserer Patient*innen stellt diese Therapie-Option einen großer Fortschritt dar“, betont Prof. Toischer. 

Die UMG bietet damit erstmals Patient*innen mit komplexen Mitralklappen-Erkrankungen, für die herkömmliche Operationen nicht infrage kommen, eine schonende und sichere Therapieoption an. Der Eingriff erfolgt ausschließlich über eine Vene in der Leiste: Über einen flexiblen Katheter wird zunächst ein stabiles, ringförmiges Haltegerüst, das sogenannte Dock, im Bereich der erkrankten Mitralklappe verankert. Dieses Dock dient als sichere Basis für die neue Herzklappe und gewährleistet eine zuverlässige Fixierung auch bei Verkalkungen oder unregelmäßigen Herzstrukturen. In einem zweiten Schritt wird die biologische Ersatzklappe über den steuerbaren Katheter durch das Dock vorgeschoben, entfaltet sich dort und ersetzt die erkrankte Mitralklappe vollständig. Die exakte Positionierung erfolgt unter Röntgen- und Ultraschallkontrolle. Das System ist so konzipiert, dass der Blutfluss aus der linken Herzkammer nicht beeinträchtigt wird und das Risiko einer Verengung des Ausflusstrakts minimiert ist. Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose, ist jedoch deutlich schonender als eine klassische Operation am offenen Herzen. Patient*innen können meist bereits wenige Tage nach der Implantation nach Hause entlassen werden.

„Wir freuen uns, dass wir diese innovative Behandlung nun in Göttingen anbieten können und damit Patient*innen mit hohem Risiko oder bislang nicht reparablen Klappenfehlern eine sichere Behandlungsalternative eröffnen. Zudem können wir hierdurch auch unseren Patient*innen mit Herzrhythmus-Störungen verbesserte Therapieoptionen anbieten“, sagt Prof. Dr. Constanze Schmidt, Direktorin der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG.

Ansprechpartner Fachbereich: 
Prof. Dr. Karl Toischer, Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Telefon 0551 / 39-63907, ktoischer(at)med.uni-goettingen.de

Pressekontakt:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Leitung Unternehmenskommunikation
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