Klinik für Palliativmedizin der UMG unter neuer Leitung
Prof. Dr. Heidrun Golla ist seit dem 1. Januar 2025 Universitätsprofessorin für Palliativmedizin und neue Direktorin der gleichnamigen Klinik der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).
Prof. Golla folgt damit auf Prof. Dr. Friedemann Nauck, der Ende September 2023 nach 17 Dienstjahren an der UMG in den Ruhestand gegangen ist. In der Übergangsphase hatte Dr. Gesine Benze die kommissarische Leitung der Klinik übernommen.
Bereits seit 19 Jahren ist Prof. Golla im Bereich der Palliativmedizin in Lehre, Forschung und Krankenversorgung tätig. Neben der Versorgung onkologischer Patient*innen stehen ebenfalls Patient*innen mit unheilbaren, schweren Erkrankungen des zentralen Nervensystems im Fokus ihrer Arbeit wie beispielsweise bösartige Hirntumore, eine fortgeschrittene Multiple Sklerose, bei der es durch Entzündungen im zentralen Nervensystem beispielsweise zu Beeinträchtigungen der Mobilität, Empfindungs-, Wahrnehmungs- und Denkfähigkeit kommen kann oder Erkrankungen, bei denen Nervenzellen des zentralen Nervensystems absterben. Zu diesen Erkrankungen gehören unter anderem komplexe Parkinson-Syndrome und Motoneuronerkrankungen, die sich vor allem in umfassenden Einschränkungen der Steuerung von jeglichen Bewegungsabläufen und sich daraus ergebenden Beschwerden wie Schmerzen und Atemnot niederschlagen. „Diese Erkrankungen werden in der immer älter werdenden Bevölkerung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Durch meine Erfahrungen in der neurologischen Ausbildung habe ich die Notwendigkeit erkannt, dass auch Menschen mit schweren neurologischen Erkrankungen angemessene palliativmedizinische Angebote benötigen“, skizziert Prof. Golla. „Nicht-Tumorpatient*innen leiden unter einer teilweise anderen Symptomlast sowie meist längerfristigen, weniger eindeutigen Krankheitsverläufen. Komplex-neurologisch Erkrankte zeichnen sich zudem insbesondere durch eine eingeschränkte, verlangsamte Kommunikation und Mobilität aus und benötigen eine besonders intensive Pflege. Es können veränderte Denkprozesse und Wesensveränderungen auftreten, die auch für die involvierten Zu- und Angehörigen zu emotional belasteten Situationen führen. Zudem weisen zirka 20 Prozent der Patient*innen mit bösartigen Tumorerkrankungen neurologische Symptome auf. Die Zahl der Erkrankten mit einer Kombination aus neurologischer Erkrankung und einer bösartigen Tumorerkrankung wird zukünftig weiter ansteigen, eine Entwicklung, die spezielle Anforderungen an die palliativmedizinische Versorgung stellt. In meiner neuen Position an der UMG möchte ich die palliativmedizinischen Versorgungsstrukturen sowohl für Tumor- als auch für Nicht-Tumorpatient*innen weiterentwickeln. Dies ist erforderlich und zukunftsorientiert“, sagt Prof. Golla weiter. Die an der UMG vorhandenen spezialisierten Strukturen für die ambulante und stationäre Palliativversorgung sowie die Mildred Scheel Akademie Göttingen, der ehrenamtliche Dienst sowie das Hospiz- und Palliativnetzwerk „Caring Community Region Göttingen“ stellen ideale Voraussetzungen dar, um die Palliativmedizin in Göttingen gemeinsam mit meinen Kolleg*innen in der Klinik und mit Kooperationspartner*innen in der Region zum Wohle der Patient*innen und ihrer Bezugspersonen weiterzuentwickeln,“ so Prof. Golla.
Wissenschaftliche Schwerpunkte
Der Fokus von Prof. Gollas Forschung liegt auf der Neuropalliativmedizin und der evidenzbasierten Versorgungsforschung, die darauf beruht, wissenschaftliche Belege dafür zu erbringen, welche Behandlungs- und Versorgungsmethoden am besten funktionieren mit dem Ziel, die Versorgung von Palliativpatient*innen und deren Bezugspersonen nachhaltig zu verbessern. In ihren Projekten erforscht sie beispielsweise die Belange neuropalliativer Patient*innen sowie ihrer Bezugspersonen. Insbesondere geht es dabei um die Fragestellungen, welche Besonderheiten diese Patient*innen und ihre Zu- und Angehörige im Vergleich zu anderen Palliativpatient*innen ohne neurologische Beeinträchtigungen aufweisen und wie diesen angemessen begegnet werden kann. Hierzu sind auch die Identifizierung von Versorgungslücken und die Erforschung von Versorgungsstrukturen für eine optimale Versorgung notwendig.
In der Vergangenheit untersuchte Prof. Golla zunächst die Bedürfnisse schwer betroffener Menschen mit Multipler Sklerose (MS). Durch die Folgen ihrer Erkrankung kommt es für sie zu vielschichtigen beispielsweise gesundheitlichen und pflegerischen Problemstellungen, Änderungen in der Lebensplanung, in der Wahrnehmung sozialer Rollen und einer verminderten gesellschaftlichen Teilhabe. In diesem Zusammenhang erforschte sie, wie sich die Palliativmedizin in die bestehende Behandlung dieser Patient*innen einbringen kann. Aufbauend auf diesen Vorarbeiten schließt sie derzeit mit ihrer Arbeitsgruppe die vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) geförderte klinisch randomisierte Versorgungsforschungsstudie „Kommunikation, Koordination und Sicherheit für Menschen mit Multipler Sklerose“ ab. Für die Durchführung der Studie wurden die Patient*innen nach dem Zufallsprinzip, sprich randomisiert, entweder der Behandlungs- oder der Kontrollgruppe zugeteilt. Dies ist derzeit das bewährteste Verfahren, um die wissenschaftlich aussagekräftigsten Ergebnisse zu erzielen. Es wurde der Einsatz eines langfristig und sektorenübergreifend, das heißt stationär oder ambulant, arbeitenden Care und Case Managements für MS-Patient*innen und ihre Zu- und Angehörigen untersucht. Beim 15. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) im September 2024 erhielt ihre Arbeitsgruppe im Rahmen dieses Projektes die Auszeichnung „Best Abstract“.
In der seit 2018 laufenden und sich derzeit in der Auswertung befindlichen klinisch randomisierten Studie „EPCOG – Palliativmedizinische Frühintegration bei Patient*innen mit Glioblastom“, die an sechs Zentren in Deutschland durchgeführt wurde, untersucht sie die Wirkung einer frühzeitig im Erkrankungsverlauf eingesetzten spezialisierten palliativmedizinischen Behandlung bei Menschen mit Glioblastom, dem häufigsten und bösartigsten Gehirntumor. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie soll die Frage beantworten, wie sich diese palliativmedizinische Maßnahme auf die Lebensqualität, palliative Bedürfnisse und psychische Faktoren der betroffenen Patient*innen auswirkt und ob und wie die Belastung der Zu- und Angehörigen beeinflusst wird. Beim Kongress der „European Association for Neuro-Oncology“ im Oktober 2024 erhielt Prof. Golla im Rahmen dieses Projektes stellvertretend für das Konsortium den „Congress Award for the Best Oral Presentation for Supportive Care & Quality of Life“.
„Diese Art der klinischen Versorgungsforschung lässt sich auch auf andere palliative Studienpopulationen sowohl im Tumor- als auch Nicht-Tumorbereich anwenden,“ so Prof. Golla. Hierzu sieht sie beste Voraussetzungen an der UMG und im Rahmen des Comprehensive Cancer Centers Göttingen (G-CCC) beziehungsweise Niedersachsen (CCC-N).
Im Rahmen von Psychotherapien oder auch nach deren Abschluss sind Patient*innen regelmäßig mit palliativmedizinischen Themen wie schwerwiegenden Lebensereignissen in Zusammenhang mit Krankheit, Tod und Sterben konfrontiert. „Als Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin interessiert mich, wie Therapeut*innen und Patient*innen mit palliativmedizinischen Grenzsituationen innerhalb von Psychotherapien umgehen und inwieweit sich die Therapieeffekte nach Abschluss der Therapie auf die Bewältigung schwerwiegender Lebensereignisse auswirken. In einem Pilotprojekt untersuchen wir diese Fragestellung derzeit an einem individualpsychologischen Ausbildungsinstitut, dem Alfred-Adler-Institut Aachen-Köln e.V.“, so Prof. Golla.
Lehre
Prof. Golla ist seit 2002 in der Lehre tätig. Dabei präferiert sie praxisnahe Lehrkonzepte in Kleingruppen, in die auch Schauspielpatient*innen einbezogen werden, und in denen auf fach- und berufsgruppenübergreifende Konzepte gesetzt wird. Für ein solches Konzept in der Lehre im Kompetenzfeld „Therapiezieländerung“ wurden Prof. Golla und ihre Kolleg*innen in den Jahren 2018 und 2019 auf der Basis der Studierendenbewertung an der Uniklinik Köln ausgezeichnet. In einem einwöchigen „PJ-Startblock“, kurz vor Eintritt in das Praktische Jahr (PJ), übt sie im Team mit den Studierenden, wie schlechte Nachrichten am nahenden Lebensende Patient*innen und ihren Zu- und Angehörigen übermittelt werden können. „Diese Art der Lehre, so eigens im Rahmen eines medizinischen Promotionsprojektes untersucht, wird von Studierenden und rückblickend auch von den jungen Assistenzärzt*innen in den ersten Berufsjahren als wesentlich erachtet“, sagt Prof. Golla. Palliativmedizinische Lehre richtet sich nicht nur an Studierende sondern im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen an Palliativ-Akademien wie der Mildred Scheel Akademie der UMG auch an verschiedene Berufsgruppen, die in der Palliativversorgung tätig sind oder sein möchten wie Pflegefachpersonen und Ärzt*innen, die die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin anstreben. „Ich möchte das Erleben in der tagtäglichen Konfrontation mit palliativmedizinischen Grenzsituationen vermitteln und für Studierende und andere Lernende spürbar machen“, so Prof. Golla.
Zur Person
Heidrun Golla studierte nach dem Abitur von 1993 bis 1999, davon 1997 bis 1999 als Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes, Humanmedizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und promovierte dort im Jahr 2000 in der Neurophysiologie mit Auszeichnung („summa cum laude“). Von 2000 bis 2006 folgte die Tätigkeit als Ärztin im Praktikum (ÄiP) und Assistenzärztin an der Neurologischen Uniklinik Tübingen. Während dieser neurologischen Weiterbildungszeit arbeitete sie wissenschaftlich im Bereich der kognitiven Neurologie und etablierte eine Spezialambulanz für Patient*innen mit Störungen des Gleichgewichtssinns und der Augenbewegungssteuerung. In 2006 wechselte sie an den Lehrstuhl für Palliativmedizin der Uniklinik Köln, an dem sie seither tätig ist mit Unterbrechungen für ihr psychiatrisches Weiterbildungsjahr zur Neurologin an der allgemeinpsychiatrischen Uniklinik Köln sowie an der Landschaftsverband Rheinland (LVR)-Klinik Düren in der Abteilung für Gerontopsychiatrie, eine Fachrichtung, die sich mit dem Erkennen und Behandeln psychiatrischer Erkrankungen des höheren Lebensalters befasst. Am Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Köln mit einem Lehrstuhl für Palliativmedizin seit 2004 ist sie an der Entwicklung der verschiedenen, insbesondere der ambulanten Strukturen maßgeblich mitbeteiligt, bis 2008 als Assistenzärztin, bis 2013 als Fachärztin, danach als Oberärztin mit im Verlauf wachsenden Aufgabenbereichen wie Leitung der Palliativstation, des psychotherapeutischen Teams, Personal- und Budgetverantwortung. Im Jahr 2015 habilitierte sie zum Thema „Schwer betroffene Multiple Sklerose Patientinnen und Patienten: Ungestillte Bedürfnisse und Implikationen für die palliativmedizinische Mitbetreuung“ an der Universität zu Köln, und erhielt die Lehrbefugnis für das Fach Palliativmedizin und baut seither die neuropalliative Forschungsgruppe weiter aus. In den Jahren 2016 und 2017 erwirbt sie die Zusatzbezeichnung Psychotherapie sowie Psychoanalyse nach berufsbegleitender Weiterbildung am Alfred-Adler-Institut Aachen-Köln e.V. und wurde 2024 als Lehranalytikerin der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) und der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V. (DGPT) anerkannt. Im Jahr 2021 ernannte sie die Universität zu Köln zur außerplanmäßigen Professorin. Seit 1. Januar 2025 ist Heidrun Golla Universitätsprofessorin für Palliativmedizin und neue Direktorin der gleichnamigen Klinik der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).
KONTAKT
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Klinik für Palliativmedizin
Univ.-Prof. Dr. Heidrun Golla (Direktorin)
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen
Telefon 0551 / 39-60501
heidrun.golla(at)med.uni-goettingen.de
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Leitung Unternehmenskommunikation
Lena Bösch (Pressekontakt UMG)
Von-Siebold-Straße 3, 37075 Göttingen
Telefon 0551 / 39-61020, Fax 0551 / 39-61023
presse.medizin(at)med.uni-goettingen.de
www.umg.eu