| Presseinformation Nr. 111 / 2022

Zwischen Freiheit und Überwachung: GPS-Ortung von Menschen mit Demenz ethisch ausgelotet

Innovatives Online-Bürgerforum des Beteiligungsprojektes „Unser Gesundheitswesen von morgen: Digitalisierung – Künstliche Intelligenz – Diversität“ abgeschlossen: Teilnehmende übergeben Handlungsempfehlung an Interessenvertreter*innen aus Gesundheitswesen und Technikentwicklung.

Link zur Presseinformation Nr. 111 / 2022 zum Thema "Zwischen Freiheit und Überwachung: GPS-Ortung von Menschen mit Demenz ethisch ausgelotet"
Handlungsempfehlung des Bürgerforums zum Einsatz von GPS-Ortungssystemen für Menschen mit Demenz wurde am 12. Juli 2022 online an Organisationen aus Gesundheitswesen und Technikentwicklung übergeben: (v. l.) Isabell Strobl, Sabrina Krohm, Dr. Ruben Sakowsky, Anna-Lena Baasner, Reinhildt Kühnst, Prof. Dr. Silke Schicktanz, Judith Kunze, Saskia Weiß, Prof. Dr. Hermann Requardt, Heidrun Mollenkopf, Horst Gronke, Rosalie Filbert, Thorsten Börsch, Martina Röder, Denise Doering, Alexandra Zoller. Foto: umg

(umg) Ein GPS-Ortungssystem könnte Angehörigen und Pflegenden dabei helfen, eine verschwundene Person mit Demenz wiederzufinden, nachdem diese die Orientierung verloren hat. Zugleich wirft dieses Szenario unzählige ethische Fragen im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, Selbstbestimmung und Überwachung auf. Die ethischen Herausforderungen rund um den Einsatz von GPS-Ortungssystemen für Menschen mit Demenz haben Teilnehmende eines innovativen Online-Bürgerforums diskutiert und ihre Erkenntnisse in einer 15-seitigen Handlungsempfehlung zusammengetragen.

In ihrer Handlungsempfehlung befürworten 17 engagierte Bürger*innen, die an dem Bürgerforum teilnahmen, den Einsatz von Ortungssystemen für Menschen mit Demenz tendenziell. Allerdings fordern sie eine absolute Freiwilligkeit der Maßnahmen. So müsse vermieden werden, dass Menschen indirekt zu einer Ortung gezwungen werden, indem Heimplätze beispielsweise nur durch eine entsprechende Zustimmung vergeben würden. Zudem betonen die Teilnehmenden des Bürgerforums den zentralen Stellenwert von breiter gesellschaftlicher Aufklärung, sowohl über Demenz als auch über technische Assistenzsysteme. Nur so könne gewährleistet werden, dass eine Person mit Demenz im Idealfall in einer Vorausverfügung selbst bestimmen kann, ob sie einer Ortung zustimmt. Der Datenschutz müsse im Rahmen der deutschen oder europäischen Datenschutzverordnungen gewährleistet sein und einem Missbrauch der sensiblen Ortungsdaten unbedingt vorgebeugt werden.

Eine Besonderheit des Bürgerforums, das als Teil des Online-Beteiligungsprojektes „Unser Gesundheitswesen von morgen: Digitalisierung – Künstliche Intelligenz – Diversität“ unter Leitung des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) stattfand: Die zwischen 18 und 67 Jahre alten Teilnehmenden aus ganz Deutschland trafen ausschließlich online über die Videokonferenz-Software Zoom zusammen. Bürgerforen als Verfahren der aktiven Bürgerbeteiligung finden in Deutschland bisher vorwiegend in Präsenz statt. „Wir hoffen, dass der erfolgreiche Abschluss unserer Veranstaltung richtungsweisend dafür sein kann, partizipative Verfahren wie dieses künftig auch in digitalen Formaten zu etablieren“, sagt Projektleiterin Prof. Dr. Silke Schicktanz vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der UMG. Als Diskussionsgrundlage hörten die Teilnehmenden sich gemeinsam mehrere Vorträge von einschlägigen Expert*innen aus der Forschung an. Anschließend folgten Diskussionen im Plenum und in kleineren Arbeitsgruppen.

Die Handlungsempfehlung des Bürgerforums zum Einsatz von Ortungssystemen für Menschen mit Demenz wurde am 12. Juli 2022 – ebenfalls online – an Organisationen aus Gesundheitswesen und Technikentwicklung übergeben. Stellvertretend nahmen Saskia Weiß, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Prof. Dr. Hermann Requardt von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, Heidrun Mollenkopf von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen und Martina Röder, der Vorsitzenden des Deutschen Pflegeverband das Papier entgegen. Die vier geladenen Gäste bedankten sich für die Stellungnahme der Bürger*innen zu diesem wichtigen Thema und spiegelten, dass viele der Überlegungen und Forderungen an ihr Tagesgeschäft anknüpften.

Das Video mit der vollständigen Handlungsempfehlung sowie die ausführlichen Statements von Teilnehmenden wie Interessensvertreter*innen finden Sie unter: http://zukunftsdiskurs.uni-goettingen.de/im-video-online-burgerforum-gps-ortungssysteme-fur-menschen-mit-demenz/

Der vollständigen Abschlussbericht zum Projekt ist zu finden unter: http://zukunftsdiskurs.uni-goettingen.de/innovatives-online-buergerforum-zu-gps-ortung-von-menschen-mit-demenz

Das Bürgerforum ist Teil des Online-Beteiligungsprojektes „Unser Gesundheitswesen von morgen: Digitalisierung – Künstliche Intelligenz – Diversität“ des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der UMG. Das Projekt bezieht die Öffentlichkeit ein und will Expert*innen und die interessierte Öffentlichkeit in eine gesellschaftliche Diskussion über Chancen und Risiken eines digitalisierten Gesundheitssystems bringen. Es wird als „Zukunftsdiskurs“ bis September 2022 durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur aus Mitteln des Niedersächsischen Vorab gefördert. Die Leitung des Projekts hat Prof. Dr. Silke Schicktanz vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der UMG. Das Online-Bürgerforum fand in Kooperation mit Prof. Dr. Mark Schweda von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg statt.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter: www.zukunftsdiskurs.uni-goettingen.de

 

WEITERE INFORMATIONEN
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin
Prof. Dr. Silke Schicktanz
Humboldtallee 36, 37073 Göttingen
Telefon 0551 / 39-33966
sschick@gwdg.de
egmed.uni-goettingen.de

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