| Presseinformation Nr. 117 / 27.09.2019

Karriere trotz Teilzeit: Universitätsmedizin Göttingen will im ärztlichen Dienst mehr Familienfreundlichkeit

Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung fordern mehr Akzeptanz für Teilzeitarbeit und Lösungen für deren Umsetzung – ohne auf eine Karriere in der Hochschulmedizin verzichten zu müssen.

„Karriere trotz Teilzeit“. Podiumsdiskussion im Universitätsklinikum Göttingen (v.l.): Dr. Christiane Groß, Janina Einsele, Dr. Andrea Rothe, Prof. Dr. Michael P. Schön, Marion Charlotte Renneberg, Prof. Dr. Anna-Kathrin Hell, Dr. Juliane Knust. Foto: Jonathan Michaeli

(umg) Unter dem Thema „Karriere trotz Teilzeit. Innovative und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle im ärztlichen Dienst schaffen“ hat die Gleichstellungsbeauftragte der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) am 19. September 2019 zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in das Universitätsklinikum eingeladen. Rund 70 Personen nahmen an der Podiumsveranstaltung teil.

Den Auftaktvortrag hielt Dr. Andrea Rothe, Leiterin der Stabsstelle Betriebliche Gleichbehandlung, München Klinik, mit dem Thema „Tradition und Moderne: Warum sich der ärztliche Dienst mit Chancengleichheit schwer tut“. Dabei ging es auch um innovative und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle im ärztlichen Dienst. Sie sind eine wichtige Option für viele junge Eltern, um Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren zu können. Im Anschluss an den Vortrag tauschten sich auf dem Podium Vertreter*innen aus Wissenschaft, Krankenversorgung und Politik sowie der Ärztekammer Niedersachsen mit den Teilnehmenden aus. Genannt wurden die Rahmenbedingungen, Arbeits- und Weiterbildungskonzepte, die es möglich machen, die Weiterbildung auch in Teilzeit erfolgreich abzuschließen. Es diskutierten Janina Einsele von der Bundesvereinigung von Medizinstudierenden, Dr. Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbund e. V., Prof. Dr. Anna-Kathrin Hell, Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie der UMG, Dr. Juliane Knust, Fachärztin der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der UMG, Marion Charlotte Renneberg, stellv. Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. Andrea Rothe, Leiterin der Stabsstelle Betriebliche Gleichbehandlung, München Klinik, und Prof. Dr. Michael P. Schön, Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der UMG sowie Dekan für Akademische Angelegenheiten und Vertreter des Vorstands für Forschung und Lehre, UMG.
Die Veranstaltung hatte die Gleichstellungsbeauftragte der UMG Anja Lipschik im Rahmen eines vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) finanzierten Projekts zu Karrierehemmnissen von Ärztinnen in der fachärztlichen Weiterbildung ausgerichtet. Ziel des Projektes ist die Suche nach einer Lösung für eine Umsetzung von Teilzeitarbeitsmodellen und mehr Familienfreundlichkeit, um damit auch mehr Geschlechtergerechtigkeit im ärztlichen Dienst der UMG umzusetzen. Der Impuls kam von einer Initiative von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung an der UMG.

Unterrepräsentanz von Frauen beginnt in der Weiterbildung

„Als Gleichstellungsbeauftragte stelle ich immer wieder fest, dass Ärztinnen – insbesondere mit Kindern – geringere Chancen haben, eine Leitungs- und Spitzenposition einzunehmen. Die Unterrepräsentanz von Frauen beginnt in der Phase der Weiterbildung, die häufig mit der Familiengründung zusammenfällt“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte der UMG, Anja Lipschik. „Damit verbunden ist oft der Wunsch nach einer Reduzierung der Stelle und nach verlässlichen Arbeitszeiten. Die Folgen sind eine überproportional verlängerte Weiterbildungszeit und Rotationen, die häufig nicht umzusetzen sind. Auch sehen sich betroffene Ärztinnen oftmals mit einer mangelnden Akzeptanz von vollzeitnaher Teilzeitarbeit und ihrer wissenschaftlichen Karriereziele konfrontiert.“

UMG will neue Stelle zur Koordination einer besseren Umsetzung

„Die gegenwärtige Einbettung in allgemeine ökonomische und administrative Zwänge engt die Handlungsspielräume der UMG erheblich ein“, sagt Prof. Dr. Michael P. Schön, Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der UMG. „Die UMG bemüht sich angesichts dieser Herausforderung dennoch in erster Linie in unterschiedlichen Ansätzen darum, akademische und medizinische Karrieren, insbesondere auch für Teilzeitbeschäftigte, möglich zu machen.“ Neben deutlich verbesserten Rahmenbedingungen sind hier auch individuell abgestimmte Konzepte in den einzelnen Fächern und Einrichtungen notwendig. „In einem Pilotprojekt richten wir dazu an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie in enger Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsbeauftragten die teilweise Freistellung einer erfahrenen Ärztin und Wissenschaftlerin ein. Sie soll sich um die Koordination und Förderung der fachspezifischen Gleichstellung, Diversität und Vereinbarkeit von Beruf und Familie kümmern“, so Prof. Schön.

Unterschätzter Handlungsbedarf: Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sind existenziell wichtig für die Krankenversorgung

An der Veranstaltung nahmen überwiegend Ärztinnen und Medizinstudentinnen, aber auch etliche Männer teil. Deutlich wurde, dass die fachärztliche Weiterbildung für viele Ärztinnen und Ärzte mit Familienverantwortung nur durch innovative Arbeitszeitmodelle und eine gute Betreuung erfolgreich absolviert werden kann. Zudem war man sich darin einig, dass Arbeitsverträge über die gesamte Zeit der Weiterbildung geschlossen werden sollten. Zudem brauche es Transparenz, Verlässlichkeit, Planbarkeit und ein strukturiertes Curriculum. „Gefordert sind hier nicht nur die Leitungen der Kliniken, sondern auch Oberärztinnen und -ärzte sowie ein rechtlicher Rahmen, der das ermöglicht“, fasst Anja Lipschik die Ergebnisse zusammen. „Es gibt zwar teilweise individuelle Lösungen, aber noch nicht genügend strukturell verankerte Modelle, auf die sich Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung verlassen können, obwohl sie rund die Hälfte der Beschäftigten im ärztlichen Dienst der UMG ausmachen. Damit sind sie existentiell für die Krankenversorgung. Wenn wir die Besten wollen, darf Familie kein Hindernis für eine Karriere in der Hochschulmedizin sein. In Anbetracht des Fachkräftemangels im ärztlichen Dienst und der Tatsache, dass über zwei Drittel der Medizinstudierenden weiblich sind, gibt es einen großen Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen, der nicht länger unterschätzt werden darf.“

WEITERE INFORMATIONEN:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Gleichstellungsbeauftragte Dipl. oec. Anja Lipschik
Telefon 0551 / 39-69335
Mail: anja.lipschik@med.uni-goettingen.de

Sekretariat: Kerstin Hudel
Telefon 0551 / 39-69785
Mail: gleichstellungsbuero@med.uni-goettingen.de

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