Digitale Infektionsmedizin: Individualisierte Patient*innenversorgung

Schlüsselbereich 3

Koordination: Medizinische Hochschule Hannover, MHH

Zu den Herausforderungen der Pandemie gehören noch nicht abschließend erforschte Krankheitsverläufe und noch unbekannte oder nicht etablierte prognostische Marker.

Basis für die Identifikation solcher Marker sowie für das Verständnis der Pathogenese sind qualitativ hochwertige Daten zu individuellen Krankheitsverläufen sowie eine möglichst umfangreiche Charakterisierung sowohl der Patient*innen als auch des Virus.

Zu den klinischen Verlaufsdaten gehören dabei nicht nur klassische klinische Daten aus der stationären Versorgung (z.B. Labordaten, Medikation, Vitalparameter), sondern auch detaillierte, hochaufgelöste Daten aus dem Bereich der Intensivmedizin (z.B. Beatmungsdaten, Extrakorporale Membranoxygenierung), der Bildgebung und der molekularen Charakterisierung (Omics). Weiterhin sollten – gerade auch vor dem Hintergrund der bei COVID-19 Erkrankungen beobachteten schubweisen Verläufen mit intermittierender Besserung gefolgt von rapiden Verschlechterungen – auch syndromische Daten aus dem nicht-klinischen Umfeld (patient*innengenerierte Daten, z.B. über Apps mit Symptomerfassung) berücksichtigt werden. 

Forschungsziele

Auf der Basis der zahlreichen methodischen Vorarbeiten und der laufenden Arbeiten zur Sammlung von SARS-CoV-2 assoziierten, heterogenen Daten sowohl in der Infektions-Grundlagenforschung als auch in der klinischen Versorgung liegt der Schwerpunkt dieses Schlüsselbereichs auf der Entwicklung und praktischen Erprobung neuer Informatik-Methoden für eine individualisierte Patient*innenversorgung.

Diagnostische und prognostische Modelle

In diesem Bereich werden Arbeiten zur Identifikation von neuen diagnostischen und prognostischen Markern und Markerkombinationen aus heterogenen Datenbeständen (u.a. klinische Verlaufsdaten inkl. Intensivmedizin, Bilddaten, Omics und patient*innengenerierten Daten aus mobilen Apps und Sensoren) durchgeführt, die bisher unbekannte Zusammenhänge in der Pathogenese und dem Verlauf von Corona-Erkrankungen aufdecken und dadurch die rasche und präzise Diagnose ermöglichen, aber auch Prognosen zum Verlauf und dem erwarteten Ressourcenbedarf für individuelle Patient*innen. Dafür kommen Verfahren aus dem Bereich Maschinenlernen und Künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Klinische Entscheidungsunterstützung

In diesem Bereich sollen diagnostische und prognostische Modelle gemeinsam mit den in anderen Schwerpunktbereichen erarbeiteten Therapiestrategien in klinisch nutzbare, prototypische Informatik-Werkzeuge zur maschinellen Entscheidungsunterstützung umgesetzt werden. Neben der praktischen Erprobung und Evaluation dieser Werkzeuge sind dabei auch die Vermeidung von Verzerrungen durch unausgewogene Daten (daher bevorzugte Nutzung von Daten aus mehreren Standorten) sowie die Bereitstellung von Erklärungskomponenten von besonderer Bedeutung (Vermeidung des „Black-Box“-Problems, Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsempfehlungen). Diese Arbeiten sollen mit Industriebeteiligung durchgeführt werden, da es sich um Medizinprodukte nach MPG/MDR handelt.

Wesentliche Vorarbeiten der Partner

Die Partner des COFONI Netzwerkes haben im Bereich der Sammlung und Repräsentation von Daten zur Identifikation von neuen Biomarkern für COVID-19 bereits wesentliche Vorarbeiten geleistet. Die MHH und die UMG verfügen als Kernstandorte im HiGHmed Konsortium der BMBF-Medizininformatik-Initiative jeweils über lokale Datenintegrationszentren, in denen eine gemeinsame technische Plattform etabliert wurde.

Alle klinischen Daten werden dort auf Basis eines offenen, gemeinsamen Repräsentationsstandards gespeichert und stehen zur Analyse mit standardisierten Werkzeugen bereit. Die Umsetzung des auf nationaler Ebene festgelegten GECCO-Datenmodells (German Corona Consensus) ist erfolgt. 

Hannover Unified Biobank der MHH

Durch Mittel des MWK wurde an der Hannover Unified Biobank der MHH unter Leitung von Prof. Thomas Illig bereits eine longitudinale COVID-19 Kohorte mit breiten klinischen Daten und diversen Biomaterialien aufgebaut. Zusätzlich werden Daten und Bioproben aus dem Standort Göttingen (PD Dr. Sara Nußbeck, Zentrale Biobank UMG) einfließen. Zusammen stehen somit bereits Daten und mehrere Bioproben von mehr als 400 Patient*innen zur Verfügung. Die Kohorten werden an den zwei Standorten durch vorhandenes Studienpersonal je nach Anzahl der Infizierten weitergeführt und ständig vergrößert.

Die klinische Entscheidungsunterstützung insbesondere in der Notaufnahme wird von der UMG in den Projekten ALINA und OPTINOFA adressiert; hier ist eine Erweiterung auf COVID-19 spezifische Handlungsanweisungen möglich.

Das Institut für Medizinische Informatik der UMG ist maßgeblich am europäischen Register zu COVID-19 bei Multipler Sklerose beteiligt und hat dort insbesondere die Datenmodelle mitentwickelt. Darüber hinaus beteiligt sich die UMG an der LEOSS.core-Kohorte (Dr. Seidler).

MHH, HUB, Junge

Unsere Projekte im Schlüsselbereich 3 – Digitale Infektionsmedizin

LISE – Langfristige Immunantwort älterer Individuen gegen SARS-CoV-2

Standorte: HZI, MHH, CiiM, DPZ

Projektleiter: Prof. Dr. Jochen Hühn

Technologieplattform Tiermodelle trifft auf Biobanking und Datenbanken

Standorte: TiHo, UMG, MHH, DPZ

Projektleiterin: Prof. Dr. Maren von Köckritz-Blickwede

Kontakt


Prof. Dr. Thomas Illig
Stellvertretender Direktor Institut für Humangenetik, Leiter der Biobank
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
Illig.Thomas(at)mh-hannover.de

Copyright: Karin Kaiser/MHH


Prof. Dr. Dr. Michael Marschollek
Leiter Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
Marschollek.Michael(at)mh-hannover.de

Copyright: Prof. Dr. Dr. Michael Marschollek

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